Business Model Engineering
im Kontext der digitalen Transformation
… kurz mal angerissen
Dieser Beitrag flankiert eine Publikation zum Thema „Business Model Engineering im Kontext der digitalen Transformation“, welche voraussichtlich im Winter 2016 erscheinen wird (siehe hier: IfBMI und www.businessmodelengineering.de)
Das Thema „Digitale Transformation“ ist nicht wirklich neu, der Begriff zur Zeit jedoch allgegenwärtig. Zahlreiche Beratungsunternehmen geben ihren Portfolio einen neuen Anstrich, bauen IT-Kompetenzen auf, diverse Studien bescheinigen Deutschland einen enormen Nachholbedarf und die Bundesregierung bzw. die verschiedenen Landesregierungen setzen ein Förderprogramm nach dem anderen auf. Zur Frage, was Digitale Transformation eigentlich ist, gibt es bereits zahlreiche Beiträge und Publikationen, die an dieser Stelle nicht Gegenstand meines Beitrags sind.
Dennoch möchte ich den Begriff kurz herleiten und eine Definition darstellen, die ich entlang meiner Beiträge und Beratungsprojekte als Anker nutze.
Der Begriff Digital (Business) bezieht sich im Business Model-Kontext auf alle elektronisch steuerbaren Anwendungsformen von Informationen und Technologie zur Entwicklung von neuen Produkten und/ oder Dienstleistungen sowie zur Verbesserung der operativen Fähigkeiten innerhalb der Wertschöpfung und der Kundenerfahrung.
Aus der Definition leiten sich auch wesentliche Handlungsfelder der Digitalen Transformation ab:
Der Begriff ist allumfassend, d.h. er ist nicht auf die unternehmensinterne IT, Prozesse etc. limitiert sondern bezieht das Ökosystem eines Unternehmens ebenfalls mit ein, z.B. Devices von Kunden, Informationssysteme von Partnern in der Wertschöpfung, staatliche IT-Systeme, Netzwerkinfrastrukturen (Mobilfunk, Kabel) etc.
Unter Transformation kann die Entwicklung, Gestaltung, Veränderung und/ oder Einführung von Geschäftsmodellen, Produkten, Informationssystemen, Applikationen, Prozessen und/ oder organisatorischen Strukturen verstanden werden.
Daraus leitet sich folgende Definition für den Begriff Digitale Transformation ab:
Digitale Transformation umfasst die ganzheitliche Entwicklung, Gestaltung, Veränderung und/ oder Einführung von Geschäftsmodellen bzw. Produkten und/ oder Dienstleistungen sowie gesellschaftlicher/ organisatorischer Strukturen auf Basis elektronisch steuerbarer Anwendungsformen von Informationen und Technologien.
Es ist wichtig, ein Gefühl für den Digitalen Kontext und für Digitale Synergien zu entwickeln. Sich bietende Chancen und passende Fähigkeiten sollten optimal genutzt sowie mögliche Risiken rechtzeitig erkannt und umgangen werden. Ob eine Transformation gelingt, hängt im Wesentlichen von der Einstellung und vom Verhalten aller Beteiligten ab. Methoden respektive Vorgehensmodelle nehmen dabei eine besondere Rolle ein, denn sie helfen dabei, Veränderungsvorhaben zielorientiert, pragmatisch und ganzheitlich zu begleiten.
Die Fähigkeit zur Digitalen Transformation kann als kritischer Erfolgsfaktor bezeichnet werden, denn Beispiele wie UBER und Airbnb oder die FinTech-Branche im Gesamten zeigen aktuell auf, wie schnell etablierte Unternehmen oder Branchenstrukturen unter Druck geraten können. Während sich die Erkenntnis hinsichtlich Notwendigkeit der Digitalen Transformation langsam durchsetzt, herrscht bzgl. konkreter Vorgehensweise und notwendiger Skills noch eine gewisse Ratlosigkeit an der einen oder anderen Stelle.
Die Digitale Transformation von Geschäftsmodellen, sei es nun über ein Produkt oder ein ganzes Unternehmen hinweg umfasst mehr als nur die Anpassung einzelner Informationssysteme wie z.b. die Implementierung eines mobilen Webshop als neuen Verkaufskanal bzw. Kunden eine Lieferbestätigung statt per Fax per eMail zu senden oder den Leitstand einer Fabrikhalle mit iPads zwecks mobilen Monitoring auszurüsten. Sie hat, vor allem im Kontext von Industrie 4.0, dem Internet der Dinge (IoT), Prosumer, eHealth, Smart City, Smart Consumer etc. Auswirkungen auf viele Komponenten eines Geschäftsmodells und damit auf die gesamte Organisation und die Kultur eines Unternehmens.
Ein Business Model (Geschäftsmodell) beschreibt in abstrahierter Art und Weise eine betrachtungsrelevante Auswahl an Produkten und Dienstleistungen sowie die zur Leistungserbringung notwendigen Hilfsmittel und dazugehörigen Informations-, Transfer- und Finanzflüsse entlang der Wertschöpfungskette(n) eines Unternehmens oder einer Organisationseinheit.
Wichtige Komponenten eines Business Models sind (1) beteiligte Akteure (z.B. Kunden, Lieferanten, Kooperationspartner, Wettbewerber, etc.) und deren Ziele/ Motivation, (2) das Leistungs-/ Nutzenversprechen des Unternehmens, (3) Absatzkanäle, (4) Schlüsselressourcen und Schlüsselaktivitäten, (5) relevante Kosten und Erlöse sowie (6) Erfolgsfaktoren und (7) die Darstellung relevanter Strategien.
Seit geraumer Zeit beschäftige ich mich nun mit dem Ziel, das Berufsbild des „Business Model Engineers“ in das Bewusstsein deutscher Unternehmen zu bringen und langsam scheint ein gutes Momentum gekommen, dies zu tun. Warum braucht es einen Business Model Engineer? Die Notwendigkeit der Digitalen Transformation zu begreifen und im Unternehmen durchzusetzen ist Chefsache, die Umsetzung als solche jedoch nicht zwingend. Da eine digitale Transformation Auswirkungen auf (sehr) viele Komponenten eines Geschäftsmodells hat und viele einzelne Change-Projekte auf ein Ziel bzw. eine digitale Vision/ Strategie hin orchestriert werden müssen, ist ein Generalist gefragt, der wiederum Spezialisten anleitet.
Digitale Transformation ist i.d.R. mit hohen Kosten und Aufwand sowie mit einer sehr hohen Komplexität verbunden, denn Sie befassen sich in diesem Kontext nicht mehr nur mit der Digitalen Kompetenz (Level 1) und der Nutzung Digitaler Technologien (Level 2), sondern mit dem höchsten Level (vgl. auch [Mart09]; Sie transformieren Ihr Unternehmen bzw. wesentliche Aspekte der Wertschöpfung.
Ich bin der Ansicht, dass eine erfolgreiche Digitale Transformation nur dann gelingen kann, wenn über Modelle und Methoden umfassend und strukturiert vorgegangen wird. Im Vergleich zum einfacheren Begriff „Business Modeling“ soll der Zusatz „Engineering“ die Notwendigkeit einer ingenieurmäßigen Herangehensweise verdeutlichen.
Business Model Engineering leitet sich unmittelbar aus den Prinzipien des Business Engineerings ab, d.h. strukturiert und mit geeigneten Methoden individuelle Veränderungsprojekte erfolgreich zu führen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Business Model Engineering selbst nicht nur als Teilaufgabe des Business Engineerings betrachtet wird, sondern aufgrund seiner Bedeutung, als eigenständige Disziplin begriffen werden sollte. Um die Transformation eines Geschäftsmodells erfolgreich abzuschließen, ist es also ratsam — vor allem im Rahmen der Digitalisierung — auch beim Business Modeling „ingenieursmäßig“ vorzugehen, vgl. auch das Software Engineering, Requirements Engineering, Business Process Engineering etc.
Unter dem Begriff Business Model Engineering kann ein ingenieurmäßiges, methoden- und modellbasiertes Vorgehen zur Erstellung oder Veränderung eines oder mehrerer Business Models verstanden werden.
Business Model Innovation stellt einen Teilaspekt des Business Model Engineerings dar. Während es beim Thema „Business Model Innovation“ vor allem um Wachstum durch Kreativität und neue Formen der Wertschöpfung geht, umfasst das Business Model Engineering zudem das Wachstum durch Effizienz und mitunter die Optimierung vorhandener Formen der Wertschöpfung.
Beim Business Model Engineering handelt es sich um eine Teilaufgabe des Business Engineerings mit eindeutigem strategischem Charakter, verbunden mit der Zielsetzung, den langfristigen Erfolg eines Unternehmens sicherzustellen. Primär werden dabei die Themen Vision, Mission des Unternehmens, aber auch kunden- und marktrelevante Fragestellungen sowie die Konfiguration eines daraus resultierenden Business Models behandelt. Mit der Konfiguration des Business Models endet auch der Aufgabenbereich des Business Model Engineerings.
Aus der Konfiguration heraus ergibt sich ein Action Plan, um das Business Model am Markt zu etablieren. Das Business Model mündet damit in ein Business Operating Model, mittels welchem vor allem die Frage beantwortet wird, wie das Unternehmen nun konkret, auf Basis des zugrunde liegenden Business Models, seine Ziele erreichen will. Hauptaufgabe dieses taktischen Layers ist es, kurzfristig Wettbewerbsvorteile zu generieren und auszubauen. Während dieses Übergangs, vom strategischen in den taktischen Layer, kommen mehr und mehr klassische Aspekte des Business Engineerings zum Tragen.
In diesem Sinne kann man beim Business Model Engineering von der Erhebung von Early Requirements sprechen, im Sinne eines Verständnisses über die organisatorischen, marktrelevanten Zusammenhänge und Zielsetzungen relevanter Stakeholder sowie deren Abhängigkeiten. Mit zunehmender Konkretisierung des Business Models und des Übergangs in den Action Plan bzw. das Business Operating Model werden die Anforderungen konkreter. Es gilt Fragen rund um Late Requirements, das Architectural Design sowie das Detailed Design zu beantworten, d.h. die Darstellung des operativen SOLL-Zustands der Systemumgebung inkl. relevanter Funktionen und Eigenschaften sowie die Definition der Gesamtarchitektur in Form von Subsystemen, Daten, Controller und Eigenschaften bis hin zur detaillierten Definition des Verhaltens einer jeden Komponente.
Die Konfiguration des Business Models kann sich, je nachdem in welcher Phase des Lebenszyklusses sich ein Business Model befindet, mit Blick auf kunden- und marktrelevante Entwicklungen mehr oder weniger oft ändern. Jede Änderung an der Business Model Konfiguration, häufig auch Pivot genannt, hat wiederum Auswirkungen auf den Action Plan. Ein Business Model Engineer ist in diesem Fall gemeinsam mit seinen Kollegen aus dem Business Engineering gefordert, sowohl das Business Model als auch das Business Operating Model im Sinne der Vision und der strategischen Ziele des Unternehmens zu gestalten bzw. ggf. auch gemeinsam mit der Geschäftsführung eine neue Strategie bzw. Vision zu formulieren.
Hinsichtlich Vorgehensmodell greife ich zur Strukturierung der Handlungsfelder auf ein bewährtes Modell von Forrester Research zurück [Gill15]. Lediglich die 12 Phasen habe ich im Sinne des Business Model Engineerings angepasst:
Die Abbildung stellt vier Handlungsfelder inkl. zwölf Phasen im Hinblick auf eine erfolgreiche digitale Transformation bei bereits existierenden Business Models vor. Im Falle einer Neuentwicklung eines Business Models kann die erste Phase „Analyse Business Model“ übersprungen werden. Das Business Model Engineering, wie etwas weiter oben definiert, konzentriert sich auf die ersten sechs Phasen
Die verbleibenden Phasen lassen sich dem weiter gefassten Business Engineering zuordnen. Das Handlungsfeld Optimieren ist sowohl für das Business Model Engineering als auch für das Business Engineering gleichermaßen relevant.
Das „Assessment“ (oder der Business Model Check) stellt die mitunter wichtigste Phase dar und soll vor allem auf folgende Fragen Antworten finden:
Mehr zu diesem Thema und den Komponenten erfahren Sie im Herbst. Zum Thema „Business Model (Health) Check“ ist ebenfalls eine Veröffentlichung in Vorbereitung.
Beachten Sie hierzu auch den Sammelband zum Thema „Digitale Transformation“, welcher im Sommer 2016 beim Springer Verlag erscheint und ein alternatives Vorgehensmodell beschreibt…
Dateigröße: ca. 5 MB -> Bitte haben Sie etwas Geduld beim Laden…