Über Business Engineering und Business Model Engineering

Business Model Engineering ist nicht gleich Business Engineering sondern vielmehr eine eigenständige und elementare Disziplin wenn es um die (Digitale) Transformation von Geschäftsmodellen bzw. Unternehmen geht. Warum das so ist, lesen Sie hier…

Was ist Business Engineering?

Der Begriff Business Engineering ist auf die frühen 90er-Jahre zurückzuführen, seit denen der Wandel von der Industrie- zur Informationsgesellschaft eine immer größere Geschwindigkeit aufgenommen hat. Viele zu dieser Zeit entwickelte Ansätze, wie z.B. das Business Process Engineering, das Business Process Improvement oder die Prozessinnovation, lenkten ihren Fokus dabei primär auf die Gestaltung bzw. Transformation der Unternehmensprozesse, weniger bis kaum jedoch auf die Berücksichtigung durch den Wandel betroffener gesamtorganisatorischer Aspekte.

„Business Engineering versteht sich als betriebswirtschaftliche Konstruktionslehre für Veränderungsvorhaben. Dazu werden Modell- und Methodenkomponenten aus Betriebswirtschaftslehre, Change Management, Systems Engineering und Technologiebeobachtung integriert […]. Business Engineering setzt damit die Tradition fort, die mit Software Engineering als Konstruktionslehre für Software […] oder Information Engineering als Konstruktionslehre für Informationsflüsse und -nutzung […] begonnen hat. Allerdings ist der Gegenstand des Business Engineering nicht auf Software oder Informationsflüsse beschränkt, sondern umfasst Organisationen wie Unternehmen, öffentliche Verwaltung und nichtstaatliche Institutionen – in Teilen, als Ganzes oder als Netzwerke“ [TöWi08].

Das Business Engineering kann als erster umfassender Ansatz bezeichnet werden, der diese Lücke zu überbrücken versuchte und neben der Entwicklung operativer Informationssysteme auch relevante Strategien und dazugehörige organisatorische Aspekte berücksichtigt hat. Ein methoden- und modellbasiertes Vorgehen rechtfertigt dabei den Begriff Engineering, was den ingenieurwissenschaftlichen Ansatz noch einmal deutlich hervorhebt. Aus heutiger Sicht kann Business Engineering als eine Disziplin angesehen werden, die Modelle und Methoden bereitstellt, um eine umfassende, strukturierte, ingenieursmäßige Entwicklung von betrieblichen Informationssystemen, angepasst an die speziellen Bedürfnisse des jeweiligen Unternehmens, zu ermöglichen (vgl. folgende Abbildung).

Business Engineering
Quelle: Universität St. Gallen (online aus: http://ci.iwi.unisg.ch/temp/cc-if/themen/business-engineering/; Stand: 26.08.16)

Aufgrund der breiten Verwendung in Forschung und Wissenschaft findet mitunter der St. Galler Ansatz des Business Engineering die häufigste Erwähnung im deutschsprachigen Raum. Dieser unterscheidet in drei Gestaltungsebenen die Strategie-, die Organisations- und die Systemebene. Die strategische Ebene dient der groben Strukturierung der Wertschöpfung des Unternehmens. Mithilfe dieser Ebene werden die relevanten Kundenprozesse und -segmente, die Kernkompetenzen, die Leistungserstellung, relevante Partner, die Position im Wettbewerb sowie das Zielsystem des Unternehmens festgelegt. Die organisatorische Ebene befasst sich mit der Spezifikation der Organisation (Aufbau, Ablauf) und der Beschreibung der zur Umsetzung der Strategie notwendigen Geschäftsprozesse, im Besonderen hinsichtlich deren Input, Output, relevanter Verantwortlichkeiten, Abfolge etc. Weiterhin werden auf dieser Ebene Informationsflüsse und -objekte definiert, um das Gestaltungsziel dieser Ebene in Form einer optimalen Organisation und eines optimalen Aufbaus der Wertschöpfung zu erreichen. Die Systemebene dient der Spezifikation der Anwendungsarchitektur inkl. der Modellierung von Teilprozessen und Aktivitäten sowie der Festlegung notwendiger Anwendungen, fachlicher Services und IT-Komponenten ([FeLo05], [Sche99], [Wint03], [Öste10a]).

Was ist Business Model Engineering?

Business Model Engineering leitet sich unmittelbar aus den Prinzipien des Business Engineerings ab, d.h. strukturiert und mit geeigneten Methoden individuelle Veränderungsprojekte erfolgreich zu führen. Das Business Model Engineering lässt sich damit an der strategischen Ebene des Business Engineerings aufhängen und behandelt vor allem Fragestellungen rund um das Geschäfts-/ Wertschöpfungsnetzwerk, den Kunden und seine Prozesse, eigene Leistungsversprechen und -modelle sowie relevante Ziele, Nutzenversprechen etc.

Heutzutage und vor allem dank vieler populärer Wissenschaftler hat sich das Thema „Business Model Innovation“ entlang von Werkzeugen wie dem „Business Model Canvas“ als Managementinstrument in vielen Unternehmen etabliert. Die Analyse und ein Vergleich von Unternehmen bzgl. ihrer aktuellen bzw. möglichen Wettbewerbsposition entlang eigener Strategien und der von Wettbewerbern ist nicht wirklich praktikabel. Zu unterschiedlich sind die unternehmensspezifischen Voraussetzungen wie z.B. vorhandenes Kapital in Form von finanziellen Mitteln, Know-How und weiteren Umfeldfaktoren. Vielmehr hat es Sinn derartige Analysen auf Basis von Geschäftsmodellen, Märkten und grober strategischer Implikationen vorzunehmen.

Da Entscheidungen auf Geschäftsmodellebene einen unmittelbaren Einfluss auf die Strategien, ihre Umsetzung und insgesamt auf den Erfolg eines Unternehmens haben, erscheint es aufgrund der gewachsenen Bedeutung des Business Model Themas mehr als sinnvoll, das Thema Geschäftsmodell nicht nur als Teilaufgabe des Business Engineerings zu betrachten, sondern als eigenständige Disziplin zu begreifen.

Es gilt daher folgende Definition:

Unter dem Begriff Business Model Engineering kann ein ingenieurmäßiges, methoden- und modellbasiertes Vorgehen zur Erstellung oder Veränderung eines oder mehrerer Business Models verstanden werden.

Um die Transformation eines Geschäftsmodells erfolgreich abzuschließen, ist es in diesem Sinne also mehr als nur ratsam — vor allem im Rahmen der Digitalisierung — schon bei der Entwicklung des Business Models „ingenieursmäßig“ vorzugehen. Das Business Model Engineering konzentriert sich dabei vor allem auf Themen und (strategische) Fragestellungen rund um Kunden- und Produkt-/ Servicestrategien, Innovation, Customer Experience, Technologie, Goto-Market-Strategien, Erfolgsfaktoren und weitere relevante Wertschöpfungskomponenten auf Geschäftsmodell-Ebene. Die Ergebnisse aus diesem Prozess stellen die Grundlage für die weitere Strategieentwicklung und -operationalisierung dar. Business Model Engineering ist als ein stetig wiederkehrendes Programm zu verstehen, mit dem Ziel Geschäftsmodelle zeitgemäß zu halten bzw. zu innovieren (vgl. folgende Abbildung).

Business Model Engineering im Kontext von Business Engineering
Eigene Darstellung (in Anlehnung an: Universität St. Gallen; http://ci.iwi.unisg.ch/temp/cc-if/themen/business-engineering/; Stand: 26.08.16)

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