Wer kennt sie nicht, die schlechten bzw. negativen Erfahrungen die man als Kunde macht, wenn man bspw. bei der Hotline eines Serviceproviders anruft und lange in der Warteschleife steckt, um dann an einen ungeschulten und/ oder unmotivierten Call Center Agent zu geraten, der einem dann doch nicht helfen kann oder helfen möchte. Wie häufig hat man schon Produkte bestellt und die Abstimmung mit dem Logistikunternehmen funktionierte nicht oder die Ware war einfach unvollständig, kaputt, kam zu spät oder entsprach schlichtweg nicht den Erwartungen. Es gibt viele weitere Beispiele die aufgeführt werden können, um negative Erfahrungen zwischen Nutzern/ Kunden und Unternehmen zu veranschaulichen. Dass man nicht nur negative Erfahrungen mit Unternehmen machen muss, zeigen Unternehmen wie Apple, bei dem oftmals schon das Auspacken eines Produktes ein Erlebnis ist, Nespresso, sofern man Mitglied im Nespresso-Club ist und Kapseln bzw. Pads für seine Kaffeemaschine nachbestellt, der Kauf eines 7er’s bei BMW bzw. eines Sportwagens bei Porsche oder einfach nur der Einkauf bei Amazon.
Während neun von zehn amerikanischen Unternehmen seit mehreren Jahren davon sprechen, dass Customer Experience ein kritischer Erfolgsfaktor für das Unternehmen ist, adressieren diese nur zwei von zehn Unternehmen aktiv bei der Entwicklung von Nutzen- und Wertversprechen für ihre Kunden. Acht von zehn Unternehmen treffen demzufolge Entscheidungen ohne adäquat auf die Kundenbedürfnisse über alle Touchpoints hinweg einzugehen, d.h. das Thema Customer-Experience scheint weder strategisch noch operativ in den Unternehmen verankert zu sein. Häufig kann auch beobachtet werden, dass mit der Produktentwicklung beauftragte Personen/ Teams ihre Erfahrungen, Bedürfnisse und Präferenzen in Summe auf den Kunden übertragen, wobei Webdesigner, Informatiker, Vertriebler und Berater nicht zwingend zur Zielkundschaft eines Unternehmens gehören müssen und Produkte schlichtweg am Markt vorbei entwickelt werden bzw. den beim Kunden erwünschten Nutzen oftmals nicht ausreichend erfüllen. Häufig kann Unternehmen dabei auch attestiert werden, dass sie sich über den direkten Kaufprozess hinaus kaum Gedanken machen, über welche Touchpoints Nutzer bzw. Kunden mit dem Unternehmen, z.B. in den Pre- und After-Sales-Phasen, in Kontakt treten und welche Erfahrungen diese dabei machen. Politische Spielchen aufgrund bestimmter Befindlichkeiten einzelner Organisationseinheiten, Führungskräfte oder Konzerndenker und -lenker sind Forrester zufolge häufige Ursachen bzw. Problemfelder in größeren Unternehmen oder im Konzernumfeld, wenn es um die Frage geht, warum es diesen Unternehmen schwer fällt, die Customer Experience zu verbessern.
Es scheint aus diesen Gründen nicht verwunderlich, dass die meisten Unternehmen ihre Nutzer bzw. Kunden mangels eines ausgeprägten kundenzentrischen Ansatzes, mehr oder weniger stark enttäuschen und sich dieses Stimmungsbild auch in diversen Umfragen bzw. Studien zur Customer Experience wiederfindet. In Forresters Customer Experience Index 2010 (breites Branchenspektrum) wurden nur 13 von 133 Unternehmen mit der Bestnote bewertet wohingegen 45 Unternehmen mit schlecht oder sehr schlecht abschnitten. Nun ist der amerikanische Markt nicht direkt auf den europäischen oder deutschen Markt übertragbar, aber wenn ich mir mal meine Erfahrungen mit Dienstleistern bzw. Händlern hierzulande vor Augen führe, schaut es wohl nicht sehr viel anders aus.
In diesem Beitrag versuche ich mich kurz und knapp dem Thema „Customer Journey“ zu nähern, einen Ansatz darzustellen, wie eine Customer Journey entwickelt und visualisiert wird und versuche darauf aufbauend ein Template zu entwickeln und zur Verfügung zu stellen, mittels welchem Entrepreneure, Intrapreneure, Startups, usw. einen ersten Entwurf einer Customer Journey zeichen können.
Forrester Research Inc. definiert Customer Journey Maps wie folgt:
Documents that visually illustrate customers’ processes, needs, and perceptions throughout their relationships with a company. (Forrester Research Inc., 2010)
Insofern kann die Customer Journey als Pfad bezeichnet werden, den ein Kunde mitsamt seinen Prozessen, Bedürfnissen und Erwartungen im Rahmen seiner (Geschäfts-)Beziehung mit einem Unternehmen durchläuft.
Forrester beschreibt weiterhin, dass die Erstellung einer Customer Journey fünf Schritte benötigt (vgl. folgende Abbildung):
Abbildung: 5 Schritte zur Customer Journey Map
Eine wesentliche und auch notwendige Rolle zur Erstellung von Customer Journey Maps stellen die Kundenprozesse, die Kundenbedürfnisse sowie die Erwartungen der Kunden dar, die wie folgt definiert werden:
Customer Processes: How customers interact with the company across the life cycle of the relationship. What are the stages of the relationship? What are the specific interactions or touchpoints within each stage?
Customer Needs: What customers want from the company during each interaction. What do they want to accomplish? How do they want to feel and be treated? Do they have unrecognized needs that could be addressed?
Customer Perceptions: What customers think and feel about current interactions with the company. Do they feel their needs are being met? Are they satisfied? Do they view interactions as adequate or particularly valuable? (Forrester Research Inc., 2010)
Weitere, wichtige Punkte, die man bei der Erstellung von Customer Journey Maps beachten sollte sind …
- die Darstellung der „Key Moments Of Truth„, d.h. Bereiche die für den Kunden oder das Unternehmen von besonders hoher Relevanz sind,
- die Entwicklung von „Critical To Customer„-Metriken, d.h. das Messen von spezifischen Interaktionen die bei Nutzern/ Kunden Reaktionen oder Erfahrungen über verschiedene Wege hinweg verursachen können,
- die Berücksichtigung des „Brand Impact„, d.h. wie Erfahrungen der Nutzer/ Kunden mit dem Unternehmen das Markenversprechen in deren Wahrnehmung festigen oder torpedieren können,
- die Berücksichtigung möglicher Lücken oder Unterbrechungen bei der Kundeninteraktion, z.B. Bereiche wo Kundendaten bzw. Prozesse nicht über Touchpoints hinweg gepflegt werden können,
- ein Blick auf empfohlene Möglichkeiten oder spezielle Chancen, die Unternehmen aufgreifen können um Kundenbedürfnisse besser zu erfüllen und
- die Identifikation von (internen) Wissensträgern oder Schlüssel-Stakeholdern, die durch ihre Aktivitäten, ihr Know-How oder ihr Talent bzw. über ihre Fähigkeiten in besonderem Maße Kundenbedürfnisse befriedigen können.
Um nachhaltige Customer Journeys aufbauen zu können, scheint es wichtig mit Personas zu arbeiten. Im Vergleich zu klassischen bzw. traditionellen Methoden, wie z.B. quantitative Datenanalysen über viele viele Metriken hinweg, das Heranziehen und die Interpretation von demografischen oder psychografischen Merkmalen aus Umfragen heraus oder das reine Kaufverhalten aus der Kaufhistorie heraus, führen Personas z.B. über (intensive) Interviews oder Beobachtungen, reichhaltiges Kundenfeedback über Einstellungen, Ziele, Verhalten, Präferenzen und nervtötende Erlebnisse oder Bilder, Audiomaterial bzw. Videos zum Umfeld der Nutzer und den Werkzeugen mit denen sie sich behelfen um ihre Bedürfnisse befriedigen zu können, zu wertvollen qualitativen Informationen über Kunden, die häufig über die rein quantitative Betrachtung nicht gewonnen werden können.
Beide Methoden, d.h. die klasssischen bzw. traditionellen Methoden,
- die den Wert der Kunden sowie
- deren aktuelles Verhalten gegenüber einem Unternehmen und
- die ideale Erreichbarkeit erfassen und abbilden,
wie auch die Personas, die etwas darüber aussagen können,
- wie und warum Kunden (Kauf-) Entscheidungen treffen,
- wie sich der Kontext um die Entscheidungsfindung herum gestaltet und
- welche Bedürfnisse oder Hoffnungen der Kunden aktuell vielleicht nicht erfüllt werden,
ergänzen sich hervorragend um umfassende und nachhaltige Customer Journeys entwickeln zu können.
Auf Basis der bisherigen Ausführungen habe ich versucht über drei Vorlagen von Customer Journey Maps hinweg eine Vorlage im „BMCreativity-Style“ zu entwerfen, die – aus meiner Sicht – im Rahmen von (Entrepreneurial) Business Modeling Aktivitäten recht gut angewendet werden kann (vgl. folgende Abbildung anhand eines einfachen Beispiels aus dem mCommerce):
Das Beispiel behandelt eine sehr simple „User Journey“ (vgl. meinen Kommentar unter diesem Beitrag) mit Blick auf den Bezug eines elektronischen/ mobilen Gutscheinbuchs als Alternative zum traditionellen, papiergebundenen Gutscheinbuch, wie es in vielen Städten heutzutage noch angeboten wird. Es erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und soll nur der Veranschaulichung des Posters dienen 😉
Links wird die Persona ganz kurz und ausreichend genug erklärt, dass sich bspw. alle Workshop-Teilnehmer in diese Person hineinversetzen können. Die Persona sollte selbstverständlich einen ausreichend großen Anteil des anvisierten Kundensegments repräsentieren. Über den Part User-Insight wird der Versuch unternommen, sich in die Gedanken, Erwartungen und Einflüsse aus dem und auf das Umfeld des Nutzers hineinzuversetzen. Die aktuellen Probleme/ Schmerzen des Users, Lösungsanstrengungen und Chancen des Unternehmens, eine Lösungsalternative anzubieten, schließen den linken Teil des User-Journey Posters.
Der mittlere Teil des Posters konzentriert sich auf die eigentliche Journey des Users, von der Informationssammlung bis hin zur Einlösung eines Gutscheins. Die Phasen beschreiben sinnvoll voneinander getrennte, möglichst aufeinanderfolgende Abschnitte der Journey. Zu den Abschnitten wird darunter eine Story gesponnen, die möglichst der Realität entsprechen sollte. Diese Story kann entweder einen zu erreichenden SOLL-Zustand oder den aktuellen IST-Zustand abbilden. Den SOLL-Zustand gilt es zu erreichen, den IST-Zustand entsprechend zu optimieren oder auszubauen. Die Touchpoints stellen Berührungspunkte des Users zum betrachteten Unternehmen dar. Dies kann in dem gewählten Beispiel über bestimmte Kanäle oder Kooperationspartner erfolgen. Die Experience beschreibt über eine einfache Skala – welche den Abschluss des mittleren Teils bildet – die Eindrücke bzw. Erfahrungen die ein User während seiner Journey mit dem betrachteten Unternehmen gewinnt. Diese Skala reicht von „Nie wieder…“- bis zu einem „Wow“-Erlebnis.
Der rechte Teil des Posters geht noch einmal auf die kritischen Erfolgsfaktoren ein, die es im Sinne einer guten User Experience zu beachten gilt, beschreibt zudem die wichtigsten Metriken, die in diesem Zusammenhang gemessen werden sollten und benennt wichtige Stakeholder, die bei der Einhaltung oder der weiteren Entwicklung der User Experience von besonders hoher Bedeutung sind.
Meinem Erachten nach ist dieses Poster ein gutes Werkzeug für Manager/ Produktmanager von KMU und Großunternehmen wie auch für Gründer, um eine gute Ausgangsbasis zur Entwicklung von Customer Experience Strategien zu legen. Zur Entwicklung eines solchen Posters würde ich empfehlen ein Team von relevanten und motivierten Stakeholdern für ein bis zwei Tage „in einer Hütte einzuschließen“, um mit Spaß, Engagement und Ehrgeiz sinnvolle Ergebnisse oder Ansätze zu erarbeiten. Nach dem Feedback des Kaders und mit dessen Abstimmung können nach Abschluss dieses Workshops ggf. weitere Maßnahmen beschlossen werden.
Hier gibt es die mehrfach verwendbare xxl-Variante des Posters käuflich zu erwerben.
Quellen: Forrester Research Inc., Joyce Hostyn, Little Springs Desgin, Dave Gray, Dissertation & Erfahrungswerte
Dr. Andreas Rusnjak, MBA
… ist passionierter „Business Model Engineer“ und besitzt fundierte Erfahrungen in der Gründung, Innovation und Transformation von Geschäftsmodellen. In den letzten fünf Jahren war er als Head of Business Engineering in leitender Funktion bei einem der größten Online-Shops Deutschlands tätig.
Aktuell …
… wirkt er als Professor an der Hochschule Flensburg sowie als Autor und Speaker. Parallel hierzu berät er Unternehmen und begleitet Führungskräfte u.a. in den Bereichen Digitale Transformation, Strategisches Innovationsmanagement, Digital Commerce, Customer Experience Management etc.
Laufende Transformationsprojekte:
Digitalisierung im Handwerk
Kontakt
Business Model Creativity ist eine Marke der
Gesellschaft für
Business Model Engineering mbH
Cortendorfer Str. 37
D-96450 Coburg
Fon: +49.9561.9769917-0 Fax: -9
eMail: aru [ät] bmcreativity.net