Immer mehr Firmen versuchen über das Thema Customer Experience Wettbewerbsvorteile zu generieren bzw. im Markt zu differenzieren. Nicht jedem Unternehmen gelingt es jedoch, eine nachhaltige Customer Experience Strategie, entlang der Customer Experience Journey – über alle Kanäle hinweg (vgl. Abbildungen „Customer Experience Journey“ und „Touchpoints“) – zu formulieren bzw. zu etablieren. Dieser Beitrag führt kurz und knapp in das Thema Customer Experience Strategie ein und stellt einige interessante Ansätze vor.
Abbildung: Customer Experience Journey
Abbildung: Mögliche Touchpoints über einige, ausgewählte Kanäle hinweg
Der Begriff Customer Experience Strategie kann dabei wie folgt definiert werden:
„A plan that guides the activities and resource allocation needed to deliver an experience that meets or exceeds customer expectations“. (Forrester Research, 2011)
Eine Customer Experience Strategie …
- … beschreibt das vorgesehene Kundenerlebnis
Sie zeichnet ein anschauliches Bild darüber, wie das Unternehmen versucht, ein bestimmtes Kundenerlebnis über die drei Ebenen der Customer Experience Pyramide hinweg, zu gewährleisten:
1. Die Erfüllung der Kundenerwartung
2. Ein einfacher Umgang mit dem Produkt bzw. dem Unternehmen
3. Ein positives, emotionales Erlebnis
- … koordiniert zielgerichtet Aktivitäten und Prozesse
Unternehmen differenzieren im Wettbewerb, indem sie – im Vergleich zu diesem – unterschiedliche Produkte (Gut oder Dienstleistung) oder die gleichen Produkte in anderer Art und Weise herstellen. Eine Customer Experience Strategie informiert klar und transparent im Unternehmen darüber, was getan, nicht mehr getan oder anders getan werden muss.
- … dient als Orientierung der Ressourcenallokation
Bestehende Maßnahmen können besser ausgerichtet und zukünftige Maßnahmen besser priorisiert werden. Eine Customer Experience Strategie soll den betroffenen Mitarbeitern bzw. den Stakeholdern dabei helfen, ihre Maßnahmen besser im gesamtstrategischen Zusammenhang zu platzieren und weniger relevante Maßnahmen zu reduzieren bzw. zu eliminieren .
Abbildung: Customer Experience Pyramide
In aller Regel ist es sinnvoll, die Customer Experience Strategie an der Gesamtstrategie des Unternehmens auszurichten, die wiederum natürlich den Ansatz unterstützen muss, den Kunden und dessen Erwartung in das Zentrum des Wert- und Nutzenversprechens zu stellen. Forrester identifizierte einige innovative Ansätze, die sich in Porters Framework der generischen Wettbewerbsstrategien (Kostenführerschaft, Differenzierung und Segmentierung) einordnen lassen.
Kostenführer konkurrieren primär über den niedrigsten Preis bei einer breiten Masse an Zielkunden und ihre strategische Position hängt davon ab, wie sie ihre interne operative Effizienz dahingehend optimieren, um die internen Kosten so niedrig wie möglich zu halten, z.B. IKEA und South West Airlines.
Differenzierer konkurrieren, ebenfalls bei einer breiten Masse an Zielkunden, über (bahnbrechende) innovative Produkte mit dem Potenzial, Märkte signifikant verändern zu können. Diese Unternehmen fügen ihren Produkten nicht nur komplett neue Funktionen, Leistungen, Designs, etc. hinzu, sondern sondern erweitern diese kontinuierlich, um Kunden immer wieder zu begeistern, z.B. Apple, Nikon, Nintendo und Disney.
Segmentierer konkurrieren bei einer geringeren Masse an Kunden über spezifische Bedürfnisse im Markt. Diese Firmen bedienen Zielkundensegmente sehr genau, indem sie das Nutzen- und Wertversprechen genau auf die speziellen bzw. einzigartigen Bedürfnisse dieser Kundensegmente anpassen, z.B. W Hotels und Timbuk2.
Abbildung: Porters Generische Strategien
Da Kostenführer über den Preis im Wettbewerb stehen, versuchen diese in erster Linie die Kundenerwartungen über den Preis und die wichtigsten Leistungen zu erfüllen, während sie Nice-to-have-Features versuchen zu eliminieren. Innovative Customer Experience Strategien von Kostenführern beinhalten häufig:
- Self-Service Optimierung
Firmen die diese Strategie wählen, eliminieren bei der Interaktion mit Kunden personal- und kostenintensive Strukturen, indem sie Prozesse standardisieren, automatisieren, absichern und verschlanken. Kunden nehmen mitunter nicht mehr nur wahr, dass diese Firmen die preisgünstigsten sind, sondern erfahren ein positives Erlebnis dahingehend, dass sie effizient, schnell und personalisiert agiert. Das Car-sharing Unternehmen Zipcar erlaubt seinen Kunden bspw. weltweit auf jedes Auto zugreifen zu können, indem sie über eine Webseite oder eine mobile App ein Auto reservieren und darüber auch Zugriff erhalten. Die Firma postet die Mietdetails unmittelbar in den Kundenaccount, der wiederum sofort online zugreifbar ist. - Ultra Simplification
Diese Firmen kürzen Leistungen und Funktionen die wenig Nutzen für Kunden bringen und vereinfachen den Zugang zu wichtigerem Nutzen. Witness Omena Hotels beherbergen bspw. Gäste auf Städtereisen, denen ein günstiges, einfaches Zimmer als Ausgangspunkt für Sightseeing-Touren vollkommen ausreicht. Leistungen wie bspw. ein Empfang, Hotelpagen, Hotelbar/ Restaurant und der Zimmerservice wurden eliminiert. Ein Online-Registrierungssystem erstellt automtisch Zugangscodes und sendet diese per Mail, SMS oder über ein Display an Kunden. Kunden haben unmittelbar und einfach Zugang zu den Zimmern, die allesamt einheitlich und einfach gestaltet sind. Ein einfaches Call-Center steht Kunden bei Problemen zur Verfügung. - Crowd-Powered
Unternehmen, die diese Strategie operationalisieren, kürzen operative Kosten, indem sie Kunden – im Sinne einer Community oder Co-Ownership – dazu motivieren, in einer Art Mitarbeiterfunktion für das Unternehmen tätig zu werden. Der Billigprovider giffgaff wurde im November 2009 als „people-powered“ Provider gegründet. Die Firma nutzt kein Call-Center, betreibt jedoch eine Online-Community, die sich bei Problemen gegenseitig unterstützt und deren Aufgaben nicht nur auf den Support beschränkt sind, sondern auch die Bereiche Vertrieb, Marketing und Produktentwicklung umfassen. Der Provider bietet finanzielle Anreize für Mitglieder um weitere Mitglieder zu werben und stellt darüber hinaus Werbemittel wie Banner zur Verfügung, die in Blogs, sozialen Netzwerken oder in Foren der Mitglieder eingebunden werden können. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit von Supportanfragen liegt innerhalb der Community und einer 24-stündigen Erreichbarkeit bei ca. 3 Minuten. 42% der Neukundenaccounts wurden über Mitglieder geworben.
Abbildung: Innovative Customer Experience Strategien
Vollkommen gegensätzlich agieren Differenzierer, die nicht nur versuchen die geforderten oder erwarteten Features in ihren Produkten zu integrieren, sondern weit darüber hinaus gehen und ihren Kunden immer wieder auf ein Neues Möglichkeiten und Nutzen entdecken lassen, die diese bis dahin nicht erwartet haben, dann aber oft nicht mehr vermissen möchten. Differenzierer schaffen neue Märkte und/ oder verändern bestehende. Customer Experience Strategien dieser Unternehmen sind häufig charakterisiert durch:
- Proaktive Unterstützung
Unternehmen, die diesen Kurs verfolgen, bilden ihre Kunden bei jeder Interaktion mit ihnen präventiv weiter. Dies verhilft den Kunden dazu, (mit jedem Kontakt) einen unmittelbaren Wert aus bahnbrechenden Produkten zu erschließen. Als Valvoline sein NextGen Motor Öl (zu 50% aus recycelten Motoröl) eingeführt hatte, orchestrierte die Firma eine große Bandbreite an Aktivitäten um sicherzustellen, dass die auto-begeisterten Kunden den vollen Nutzen erfahren. Die Firma erstellte eine Microsite und einen Blog um die Produktinnovation zu beschreiben und nutzte soziale Netzwerke sowie Aggregatoren, um offene Fragen zu identifizieren und über weitere Kanäle zu schließen. Zusätzlich wurden die Retail-Partner einer umfangreichen Schulung unterzogen. - Daten-getriebener Erfolg
Derartige Strategien dienen häufig dazu, etablierte oder neue Produkte mit (Verhaltens-) Daten anzureichern und darüber einen zusätzlichen Nutzen zu generieren. Nike bspw. ermöglichte ein weit gefassteres Nutzerziel als nur den Schuhkauf selbst, nämlich eine bessere Fitness. Dank des Nike+ Device und damit verbundener Dienste kann die Firma sportliche Aktivitäten der Kunden tracken, dies ansprechend visualisieren und Nutzer untereinander vernetzen. Dies schützt die Firma u.a. vor Substitutionsverhalten ihrer Kunden, wenn es bspw. um den Kauf eines neuen Schuh geht und die Kunden ihre Daten gerne in gewohnter Manier und Qualität weiter erfassen möchten oder Kunden werben für dieses System bei Freunden um sich gegenseitig zu messen oder anzuspornen. - Produkt als Plattform
Diese Strategien, u.a. operationalisiert durch Apple, Google, facebook und salesforce, verfolgen das Ziel, anderen Unternehmen die Entwicklung innovative Produkte auf Basis eigenen Produkte zu erlauben. Damit bieten beide, sowohl die Plattformanbieter als auch die Plattformnutzer ihren Konsumten ein integriertes, angepasstes und grenzenloses Erlebnis. Dies erlaubt Anbietern wie Apple mit seinem iPhone/ iPad und dem Appstore bspw. einen einfacheren und günstigeren Bezug von innovativen Anwendungen, die wiederum an die Kunden von Apple ausgeliefert werden können und somit die Wertigkeit bzw. den wahrgenommenen Nutzen der eigenen Plattform erhöhen.
Segmentierer hingegen agieren gänzlich anders als Kostenführer und Differenzierer. Einer wesentlich kleineren Zielgruppe gegenüberstehend, passen sie ihre Produkte an die speziellen Bedürfnisse einzelner Nutzer bzw. einzelner Kundensegmenten an. Innovative Segmentierer agieren bspw. über folgende Customer Experience Strategien im Markt:
- Zugeschnittene Vertrauchlichkeit/ Intimität
Unternehmen, die diese Strategie anwenden, zeichnen sich durch ein tiefes Verhältnis zu ihren Kunden aus deren Interaktionen aufeinander abgestimmt, einfühlsam und personalisiert sind. Box Home adressiert bspw. eine hochsolvente Zielgruppe, die sich Wohneigentum anschaffen möchte und offeriert dieser ein hohes Maß an Service zu günstigen Zinsen. Dabei steht ein Mitarbeiter von Box Home stets als persönlicher Ansprechpartner eines Klienten bereit und betreut diesen ggf. auch zwei, drei Tage vor Ort. - Mikro-Nischen
Unternehmen, die diesem Pfad folgen, liefern Erlebnisse gegenüber speziellen, kleinen Kundengruppen aus, die weit über ein normales Maß hinausgehen. Diese Kundengruppen können bspw. einen sehr speziellen Lebensstil oder eine sehr bestimmte Geschäftskultur pflegen. Das „Was immer/ Wann immer“-Versprechen von Starwood Hotels weltweiten W Hotels setzt einen Maßstab für spezielle Kundenerlebnisse mit Blick auf junge und trendorientierte Stadtbewohner. Wie weit diese Hotels gehen zeigt ein Beispiel in dem ein W Hotel eine private Modenschau (Sneak Peak für zukünftige Fashionmode) für einen Gast organisierte, der seine Freundin überraschen wollte. Humorvolle, frische und reizende Mitarbeiter wie man sie aus hippen, lokalen Bars und Restaurants kennt, spiegeln den Lifestyle der Zielgruppe wieder. - Mass-Customization
Kunden der Unternehmen, die diese Strategie verfolgen, besitzen die Möglichkeit Produkte hinsichtlich ihrer Erscheinung, Funktionalität, Zusammensetzung und Inhalts vollkommen an die eigenen Bedürfnisse anzpassen. Dies mündet in einem einzigartigen und selbst zum Ausdruck gebrachten Erlebnis. Studien besagen, dass mass-customization-affine Kunden ihre Produkte häufig als Teil ihrer selbst betrachten. Als Beispiele hierfür können mymuesli und Zazzle genannt werden.
Quelle: Forrester Research Inc.
Customer Experience -> User Experience
An dieser Stelle sei noch kurz erwähnt, dass der Begriff Customer Experience meinem Erachten nach – und speziell für den eCommerce – viel zu kurz gefasst ist und durch den Begriff User Experience ersetzt werden sollte. So konvertieren durchschnittlich 3 – 6% der Sessions eines Online-Shops von einem Besuch zu einem Kauf und einen Onlineshop besuchen nicht ausschließlich dessen wiederkehrende Kunden sondern es finden sich User in der Masse wieder, die den Shop das erste Mal betreten und mit den unterschiedlichsten Erwartungen aufschlagen.
Viel spannender und erfolgversprechender ist aus diesem Grund die Herausforderung, die Bedürfnisse und Erwartungen der verbleibenden 94 – 97% der User (teilweise sind sicher auch Kunden dabei), die in der Regel nicht vom Besucher zum Käufer konvertieren, über ein positives Erlebnis derart gezielt zu adressieren und zu bedienen, dass auch möglichst viele Personen aus dieser Menge konvertieren.
Aus dieser Sicht heraus sind Customer eine Teilmenge der User und damit kann die Customer Experience als Teildisziplin der User Experience verstanden werden. In diesem Sinne setzt Customer Experience erst nach der Konvertierung vom User zum Käufer bzw. Kunden an wohingegen User-Experience sehr viel früher und eine mindestens genauso wichtige Bedeutung einnimmt.
Dr. Andreas Rusnjak, MBA
… ist passionierter „Business Model Engineer“ und besitzt fundierte Erfahrungen in der Gründung, Innovation und Transformation von Geschäftsmodellen. In den letzten fünf Jahren war er als Head of Business Engineering in leitender Funktion bei einem der größten Online-Shops Deutschlands tätig.
Aktuell …
… wirkt er als Professor an der Hochschule Flensburg sowie als Autor und Speaker. Parallel hierzu berät er Unternehmen und begleitet Führungskräfte u.a. in den Bereichen Digitale Transformation, Strategisches Innovationsmanagement, Digital Commerce, Customer Experience Management etc.
Laufende Transformationsprojekte:
Digitalisierung im Handwerk
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